Im Gespräch über die Vorbereitung eines Fridays-for-FuturePlenums, meinte meine Tochter, ich solle meine Sichtweise doch mal als Artikel für die Graswurzelrevolution schreiben. So entstand der folgende Text.
Auf die Frage meiner Tochter, wie „antikapitalistisch“ positiv ausgedrückt werden könne, fiel mir zunächst ein, dass der Begriff „freie Marktwirtschaft“ unrechtmäßig von neoliberalen Kräften gekapert wurde. Eine positive Vision, in der freie Menschen in marktwirtschaftlichem Handeln für die Bedürfnisbefriedigung ihrer Mitmenschen in Austausch treten, also eine „freie Marktwirtschaft“, steht quasi im Widerspruch zum Kapitalismus, der primär die Freiheit des Kapitals will und Mensch und Natur nur als Ressource sieht.
Freie Menschen handeln und machen Unternehmungen! Damit befriedigen wir unsere Bedürfnisse. Das ist „freie Marktwirtschaft“. Zu Zeiten von Karl Marx waren Unternehmer und Kapitalisten weitgehend identisch, aber heute werden die großen Unternehmen von Kapitalinteressen geleitet. Die Unternehmenden sind Angestellte von Kapitaleignern. Die Kapitalinteressen orientieren sich nicht an Menschen und Bedürfnissen, sondern am Profit. Dabei werden Natur, gute Ideen und menschliche Arbeitskraft missbraucht.
Für einen Übergang von einer „gewinnorientierten Marktwirtschaft“ zu einer „bedürfnisorientierten Marktwirtschaft“ braucht es auch einen kulturellen Wechsel. Zu viele Menschen finden es „normal“, wenn Konzerne zugunsten ihrer Gewinnmargen die Freiheit anderer deutlich einschränken und Natur und Umwelt ausbeuten. Den Glaubenssatz „Die müssen doch auch Gewinn machen!“ hört man viel zu oft.
Freie Marktwirtschaft kann nur die Lebensbereiche betreffen, in denen Angebot und Nachfrage variabel sind. Das gilt u.a. nicht für Gesundheit, Geld und Boden. Wo der Markt nicht funktionieren kann, muss eine Gesellschaft regulieren.
Der Finanzkapitalismus breitet sich seit Jahrzehnten immer weiter aus. Die Finanzmärkte bringen ehemals freie Unternehmen immer mehr in ihre Abhängigkeit. Die Vermögensschere geht immer weiter auf. Die großen Vermögen sind immer weniger menschlich gesteuert, also immer unmenschlicher. Ein Beispiel sind die von Algorithmen gesteuerten Finanzkonzerne. Man kann von einer Re-Feudalisierung sprechen. Demokratische Kräfte müssen gegensteuern.
Notwendige und mögliche Schritte einer demokratischen Gesellschaft, um dagegen zu steuern, sind z.B. Vermögenssteuer und Finanztransaktionssteuer. Aber vor allem eine Kultur, die menschliche Bedürfnisse mehr in den Vordergrund stellt, als Profit und Wachstum. Aber wie kommen wir dazu? Zur Beantwortung dieser Frage plädiere ich für einen anarchistischen Umgang mit Gottheiten.