Tauschring-Bundestreffen, Hamburg 28.-30.09.2001

Protokoll der AG "Tauschringe - eine Kompetenzschmiede der anderen Art"

Moderation: Stefan Purwin, Kreuzberger Tauschring

1. Kurze Einführung zum Thema Kompetenz

In der Berufswelt werden immer weniger herkömmliche Qualifikationen, sondern mehr und mehr umfassende Kompetenzen gefordert. Dies hängt mit der enorm gestiegenen Dynamik, Komplexität und Unvorherbestimmbarkeit in den Bereichen der globalisierten Wirtschaft zusammen, die von jedem Einzelnen, von Teams und von ganzen Unternehmen bewältigt werden muss.

Kompetenz wird als "Selbstorganisationsdisposition" gesehen, als Fähigkeit also, in Situationen von Ungewissheit und Unbestimmtheit selbstorganisiert schöpferisch Neues hervorzubringen.

Unterschieden wird zwischen:

• Fach- und Methodenkompetenz:
  schier unlösbare Probleme mit fachlichem und methodischen Wissen lösen
• Sozial- kommunikative Kompetenz:
  sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammen- und auseinandersetzen, kreativ zu kooperieren und kommunizieren
• Personale Kompetenz
  sich selbst gegenüber kritisch sein, produktive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale entwickeln
• Aktivitäts- und Handlungskompetenz
  alles Wissen und Können, aller Ergebnisse sozialer Kommunikation und alle persönlichen Werte und Ideale auch wirklich willenstark und aktiv umsetzen und dabei alle anderen Kompetenzen integrieren.

2) Diskussion

In der Diskussion haben wir zusammengetragen, welche Kompetenzen wir als Tauschringmitglieder durch die Tätigkeiten im Tauschring bei uns oder bei anderen festgestellt haben. Wir haben dann versucht, Rahmenbedingungen im Tauschring zu beschreiben, die diesen Kompetenzerwerb ermöglichen.

Kompetenzen im Tauschring:

• unterschiedliche Menschen kennenlernen, Kontakte,
  dies ermöglicht eine Erweiterung des Horizontes und Toleranz gegenüber anderen
• Teamfähigkeit
• Meinungsvielfalt erleben
• Ideenbereicherung
• Konflikte aushalten und austragen lernen
• Moderation von Gruppen (ausprobieren)
• Kommunikationsfähigkeit
• Sicherheit - Auftreten vor/in einer Gruppe
• gegenseitiges Lernen beim Tausch
  Handfertigkeiten
• Neue Formen von Demokratie lernen

Rahmenbedingen im Tauschring

oder: warum lernen wir diese Sachen im Tauschring?

Der Ausgangspunkt war der (sinngemäße) Ausspruch einer Teilnehmerin:

In der Tauschring-Gruppe fühle ich mich sicher und aufgehoben, das ist die Voraussetzung zum Lernen und dem Erwerb von Komptenzen. Wir haben zusammengetragen, wodurch dieses Gefühl in Tauschringen entstehen kann:ž

• kein Leistungsdruck im TR
• keine Ellenbogen-Mentalität
  sondern gegenseitige Solidarität
• gegenseitige Akzeptanz
• gleichwertig + gleichberechtigt.
  Durch die Zeitverrechnung werden alle Arbeiten gleich bewertet. Jeder steht mit seinen Fähigkeiten gleichberechtigt zu den anderen.
• man trifft Gleichgesinnte
• alles, was man macht, ist freiwillig
• Selbstverantwortung,
  im TR muss und darf man seine Sache selbst in die Hand nehmen
• jede + jeder kann seinen Wirkungskreis selbst definieren und finden,
  durch die Vielfalt der Engagementmöglichkeiten im Orga-Team oder beim Tauschen
• flache Hierarchien,
  Hierarchien hemmen die Initiative von Einzelpersonen, die sich engagieren wollen. In einem gleichberechtigten Orga-Team kann jede + jeder Aufgaben übernehmen und sich einbringen.

Beim letzten Punkt schloss sich eine längere Debatte um die Basisdemokratie in Tauschringen an. Vor allem in größeren Tauschringen entstehen (notwendigerweise) Organisations- und Entscheidungsstrukturen nach dem Delegiertenprinzip, die die Schwelle des "Sich-Einbringens" in Form von Mitarbeit oder Ideenlieferung erhöhen.

3) Fazit

Tauschringe bieten für ihre Mitglieder, insbesondere denen aus der Organisationsgruppe, ein enormes Potenzial zum Kompetenzerwerb. Es sind wertvolle Kompetenzen aus allen Kompetenzbereichen, die in erster Linie zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen, die aber auch in der Berufswelt - im Management und zunehmend in der Produktion - gefragt sind. Tauschringe haben so eine immens wichtige gesellschaftliche Funktion, die die traditionellen Bildungseinrichtungen nicht wahrnehmen können. Ob wir wollen oder nicht, wir tragen so zur Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft bei. Dies sollte uns bewusst sein - auch in diesem Punkt brauchen wir uns also nicht "klein machen" oder verstecken, sondern können selbstbewusst auftreten.

Stefan Purwin